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Guttenberg, der Pirat, und die Medien

Gesellschaft
04.03.2011
Ist mir schon ein wenig peinlich, daß nach so-lange-dann-doch-nix-gebloggt jetzt zu Guttenberg, aber was solls, hab halt grad Muße nach der Zeitungslektüre (voller hohlem Trara). Ehrlich gesagt, hat mich das ganze Gewese sofort genervt, es war doch klar und schlicht: der Mann ist unehrlich, gehört abgesetzt, Ende.
Guttenberg sei Raubkopierer hieß es. Und somit Pirat. Während die Konservative, von Anstand und Ehre geleitet, den geistigen Diebstahl des Ministers nicht rüge, beschimpften die freigeistlichen Netcitizens den Freiherren, obwohl der doch nur kopiert habe, wofür sie sonst kämpften.
Mir fehlen bei derlei Betrachtungen ein paar ganz klare Grenzen.
(Anschließend hab ich noch ein paar Gedanken, warum ich froh bin, daß es (hoffentlich bald) vorbei ist.)

von Lüge, Ehre & Urheberschaft

In der Tat geht es den Verfechtern gegen Verschärfungen und Ausweitungen des Urheberrechts darum, Inhalte kopieren zu dürfen, ja auch weiterzuverwerten. So hat sich z.B. auch das alternative Lizenzmodell Creative Commons entwickelt, welches Weiterverarbeiten und Vervielfältigen ausdrücklich erlaubt. Der Gedanke ist der von freiem Zugang zu allem für alle. Und die Verwendung alldessen. Wenn ich auf alle Ressourcen Zugriff habe, ergeben sich unendlich viele Möglichkeiten des Neuen. Der Begriff Mash-Up entstand. Wir sprechen von Entwicklung. (Anm. für CDUler: Entwicklung ist Fortschritt.) Ohne Entwicklung, also ohne das Kopieren, oder besser: Erlernen, von Ideen, würden wir heute noch auf den Bäumen sitzen. Ideen sind aber irgendwann zu geistigem Eigentum geworden, das hatte dann etwas mit Geld zu tun. Ist aber ein juristisch falscher Begriff, denn das sogenannte geistige Eigentum kann ich mir aneignen ohne es dem Schöpfer zu entwenden. Auch darum geht es: Vervielfältigung, Verbreitung, Wachstum, Kombination, Evolution. Ich denke, so ein „Summa cum Laude“ sagt auch einiges darüber aus, wie gesellschaftlich wertvoll dieser Wissenszugang ist. Und warum soll dieses Wissen nur finanzkräftigen Menschen zur Verfügung stehen?
Wenn man heutzutage so studiert - so habe ich den Eindruck, bzw. mich belehren lassen - ist es total wichtig, die Lieblingsautoren der Professoren und eine Menge anderer und wichtiger Leute zu zitieren und belegend für eine Aussage zu sammeln. Das, so ungefähr, sei nun mal wissenschaftliches Arbeiten. Und ich Dummerchen, der nur immatrikuliert war, um sich die Krankenkasse leisten zu können, dachte immer daß man selbst denken solle, Thesen formulieren, ausarbeiten und belegen. (Aber wie naiv ist das denn?! Dann müssten ja daraufhin wieder die Professoren denken und das ginge dann ja wirklich zu weit.) Meinem - neuen - Verständnis von wissenschaftlichem Arbeiten nach, hat sich Guttenberg also erstmal rein gar nichts zu Schulden kommen lassen. Bachelor, Doktor, alles eine Grütze, das eine ist halt etwas länger. Bloß - er hätte die über 70% Zitate dann noch beschriften müssen. Der gute hat aber die Kopie für sein eigen ausgegeben. Das ist so, als würde der Pirat seine Beute beim Finanzamt als selbst erwirtschaftet ausgeben, also Geldwäsche! Als würde man einen Kinofilm herunterladen, ihn als selbstgemacht in der Videothek verkaufen und einen Oskar bekommen. Kurz: das ist gelogen.
Ok, ich denke, ganz so bescheuert, von Fußnoten zu reden, wenn er wirklich gewusst hätte, wie viel der Arbeit tatsächlich kopiert wurde, ist der Freiherr nicht. Demnach hätte er also zunächst nicht wissentlich gelogen, was die Inhalte der Arbeit selbst, allerdings was den Verfasser beträfe.
Abgesehen davon, daß jemand der lügt, und dies - einmal entlarvt - nicht einmal zugeben kann, als gewählter Volksvertreter absolut inakzeptabel ist (obgleich viel zu viele weitermachen durften), würde ein Mash-Up-Künstler nie das Verwertete als sein eigen ausgeben. (Von Sido jetzt mal abgesehen) Da ist es eine Frage der Ehre die Quellen zu nennen. Ehre, die dem Adel und der CDU so gut steht. Niemand, der sich gegen geistiges Eigentum einsetzt, möchte sich mit fremden Federn schmücken, gar Profit daraus schlagen. Hier geht es um egalitären, freien Zugang, fernab kommerzieller Verwertungsgedanken. Wenn ich mir einen Film ansehe, dann, weil ich ihn sehen möchte, was interessanter Weise auch genau die Intention der Filmemachenden ist. Wer Filme (nur) macht, um sein täglich Brot zu verdienen, soll mir gestohlen bleiben. Diese Filme möchte ich ohnehin nicht sehen! (In meiner Welt gibt es ein Grundeinkommen.)

Um es also nochmal zusammenzufassen: Der Freiherr lügt, die Kanzlerin hat keinen Doktor zum Minister gemacht und die leistungsorientierte Regierungskoalition möchte Kopierer bestrafen.
Wo sind da jetzt die Gemeinsamkeiten mit den Netzaktivisten?

Spotlight

Ich hatte einmal einen Lehrer für politische Weltkunde, der hieß Hammer, und war es auch. Die Schüler hassten ihn, da er seine Noten nicht in die gaußsche Kurve presste, da die Bestnote einer Klausur eine 4 sein konnte, auf dem Zeugnis ebenso. Einer von ganz wenigen Lehrern, bei denen das Gefühl geblieben ist, etwas gelernt zu haben. Das lag wohl daran, daß er Politik und Wirtschaft verstanden hatte und erklären konnte. Gewiss, er war zynisch, und stellte gewagte Thesen auf; und doch, seit Guttenberg musste ich vermehrt an ihn denken. Die Antwort, auf die Frage, was amerikanische Politiker seit Kennedy auszeichnete war: schauspielerisches Talent, Umgang mit den Medien. (Kohl sei ein Phänomen, deshalb so erfolgreich und von vielen Frauen gewählt, weil er mit seiner Tollpatschigkeit Muttergefühle wecke.)
Nun, was mir an Guttenberg von Anfang an total auf den Sack ging, war, daß es immer nur hauptsächlich um ihn als Person ging, nie wirklich um Inhalte. Kein deutscher Politiker zuvor hat sich, oder wurde derart in Szene gesetzt. Und das war widerlich. Und es ist in dem Fall völlig egal, ob der Mann die Wehrpflicht abschafft oder Polen überfällt! Solche Figuren sind Gift.
Aus diesem Grund bin ich sehr froh, daß es so ein spektakuläres Ende gefunden hat, einen lauten Knall. Macht etwas Hoffnung, daß es so schnell keiner nachahmt.
Der Mann hat völlig Recht, wenn er in seiner Abschiedsrede sagt, daß man keine Politik machen könne, wenn diese immer nur hinter ihm als Person stünde! Mögen ihn die Medien psychologisieren, zerreißen, mögen seine Fans ihn vergöttern, zurück haben wollen - mit alledem bestätigen sie nur um so mehr die Richtigkeit dieser Aussage, und des Rücktritts.
(Das heißt übrigens auch: wenn seine Fans Ihr Objekt der Bewunerung ernst nähmen, dürften Sie kein Comeback fordern...)


Bleibt ein einziger Wermutstropfen: Kann mal bitte ganz schnell wer den neuen Innenminister absetzen!? Wieso darf da überhaupt jemand aus der CSU!?... Warum nicht gleich einen Österreicher? Die Freiheitlichen expandieren doch schon nach Norden!



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